Dienstag, 19. Mai 2015

50 Jahre Monitor Freundlich empfangen werden wir selten

Die Sendung "Monitor" feiert diese Woche Geburtstag. Redaktionsleiter Georg Restle über das Image der angeblichen "Rotfunk"-Sendung, sein Interview mit einem aufgebrachten Wolfgang Clement und die schwierige Arbeit von Investigativ-Journalisten.

n24de: Sie haben "Monitor" mal als letzte WG im n24 bezeichnet. Wie sieht denn dieses WG-Leben aus?


Georg Restle: "Monitor" ist Teamwork – und zwar mehr, als ich das in allen anderen Redaktionen erlebt habe. Wir sitzen bei der Planung der Themen zusammen, überlegen gemeinsam, welche Geschichten wir in die Sendung bringen, und wir nehmen auch die Beiträge gemeinsam ab. Dabei haben wir nicht nur ein Vier-Augen-Prinzip, sondern es schauen auch mal acht Augen auf einen Beitrag – vor allem, wenn es darum geht, besonders schwierige Geschichten, auf Sendung zu bringen

WDR.de: Das schweißt zusammen, ist aber bestimmt auch anstrengend.
Restle: Das ist anstrengend, auf jeden Fall, aber die Anstrengung ist es wert. Gerade bei komplizierten investigativen Geschichten ist es notwendig, dass der gesamte Sachverstand der Redaktion daran beteiligt ist.
WDR.de: Führt das oft zu aufreibenden Diskussionen, wie kann man sich die Arbeit vorstellen?
Restle: Ja, es sind hochgradig kontroverse Diskussionen. Wir sind uns zum Beispiel alles andere als immer einig, wenn es darum geht, zu entscheiden, für wie relevant wir eine Geschichte halten.
WDR.de: "Monitor" galt lange Zeit als Rotfunk-Sendung. Schlägt Ihnen dieses Image bei der Arbeit heute immer noch entgegen?
Restle: Ja, man hört das immer wieder – es gibt Leute, die sind in ihren Vorurteilen unerschütterlich. Interessant ist es, wenn das Menschen sagen, von denen man den Eindruck hat, dass sie 30 Jahre lang nicht die Sendung geschaut haben. Wenn man sich die Zeit der rot-grünen Regierungskoalition anschaut, da waren wir, glaube ich, die heftigsten Kritiker, wenn es unter anderem um den Afghanistan-Krieg oder die Hartz-IV-Gesetzgebung ging. Wer da behauptet, wir seien Rotfunk oder hätten eine parteipolitische Vorliebe, der kennt "Monitor" nicht. Diese Sendung hat sich immer dadurch ausgezeichnet, dass sie regierungskritisch war – egal, wer sich an der Regierung befand.
WDR.de: "Monitor" hat immer aufklärerischen, kritischen Journalismus betrieben - bedeutet das heute noch dasselbe wie vor 50 Jahren?
Restle: Heute sind die Themen komplexer geworden. Das hat viel mit der Globalisierung zu tun. Vieles wird nicht mehr in Berlin entschieden. Auch die Großkonzerne spielen heute eine andere Rolle. Deshalb sind wir nicht mehr nur regierungskritisch, sondern machtkritisch. Und es gibt die europäische Ebene – daher müssen wir nicht nur nach Berlin schauen, sondern auch nach Brüssel. Das war früher sicher anders. In den letzten drei Jahren beispielsweise hatte die Hälfte der Themen einen internationalen oder globalen Bezug - sei es die Flüchtlingsproblematik, das Freihandelsabkommen TTIP oder die Privatisierung von Trinkwasser. Wenn man sich die Sendungen aus den 70er Jahren anschaut, dann hatten die einen klaren innenpolitischen Bezug.
WDR.de: Ist es dadurch auch schwieriger geworden, als investigativer Journalist zu arbeiten?
Restle: Ja, es ist schwieriger geworden. Bei den Recherchen haben wir es mit anderen Rechtslagen zu tun, die Quellenlage ist schwieriger geworden. Deswegen arbeiten wir heute auch viel stärker als früher mit Kollegen zusammen, die international Themen aufdecken, wie bei dem NSA-Abhörskandal zum Beispiel. Bestimmte große Themen kann man als kleine Redaktion in einem Sender gar nicht mehr umfassend recherchieren – da sind wir auf Kooperationen angewiesen.
WDR.de: Wie ist die Beziehung zur Politik? Werden "Monitor"-Journalisten noch von irgendjemandem aus der Politik gern empfangen?
Restle: Freundlich empfangen werden wir selten. Wir hätten auch das Gefühl, wir hätten was falsch gemacht, wenn uns rote Teppiche ausgerollt werden würden. Kritik vonseiten der Regierung oder großer Wirtschaftskonzerne nehmen wir durchaus als Kompliment. Wenn wir in dem Bereich keine Feinde hätten, hätten wir was falsch gemacht.
WDR.de: Das macht das Arbeiten aber dennoch nicht leichter.
Restle: Ja, das ist richtig, aber die klassischen Hintergrundgespräche in politischen Hinterzimmern sind für investigativ arbeitende Journalisten nur selten ein Quell der Information. Für uns ist es wichtig, eigenständig zu recherchieren, mit eigenen Quellen zu arbeiten. Wir sind nicht darauf angewiesen, was uns Politiker zwischen Tür und Angel mal zuwerfen.
WDR.de: Einer der Top-20-Beiträge, die Sie zum Jubiläum auf den "Monitor"-Online-Seiten präsentieren, zeigt Sie im Jahr 2000 im Gespräch mit einem sehr aufgebrachten Wolfgang Clement. Haben Sie sich jemals wieder vertragen?

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